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Weder faul noch schwach: Depressionen und Vorurteile

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Ich habe Depressionen. Chronisch. Ich nehme Medikamente und mache regelmäßig Gesprächstherapie. Das hilft mir. Aber es geht in diesem Text nicht um mich. Sondern darum, wieso es noch immer so schwer ist, Vorangegangenes zu sagen und warum das furchtbar ist.

Es ist inzwischen über zehn Jahre her, dass ich diesen Text zum ersten Mal veröffentlicht habe. Damals bekam ich viel Zuspruch, insbesondere von Menschen mit psychischen Krankheiten, die sich selbst nie so nach außen gehen trauen würde.

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Kostenlose und anonyme Angebote im DACH-Raum. Für dich da, um darüber zu reden. Worüber? Alles, was dich belastet, bewegt, bedrückt. In Krisensituationen, oder wenn du grad mal wieder in einer Negativspirale feststeckst. Immer, wenn du es brauchst. Denn manchmal sieht man einen Ausweg erst, wenn man mit jemand anders über die Sachen spricht.

Psychische Gesundheit & Krankheit

Seit Jahren liest oder hört man gefühlt jede zweite Woche von der „Volkskrankheit Depressionen“. Seit der COVID-Pandemie sind „Psychische Probleme“ in aller Mund und für alle möglichen und unmöglichen Ideen instrumentalisiert worden. Schlaf- und Angststörungen bekommen viel mediale Aufmerksamkeit. Und damit ist das weite Feld der psychischen Probleme und Krankheiten erst eröffnet. Von Anpassungsstörungen, Burnout oder verschiedenen Verhaltensstörungen bis zu schwersten Erkrankungen, wie mannigfaltigen Ausprägungen der Schizophrenie, scheint die Realität psychischer Erkrankungen ins gesellschaftliche Bewusstsein gekommen zu sein, um zu bleiben.

Meistens sind diese Krankheiten gut zu behandeln, oft verschwinden sie bis auf einen Schatten oder eine Erinnerung sogar ganz. In den meisten Fällen lassen sie sich zumindest eher mehr als weniger gut ins Leben integrieren. Vorausgesetzt sie werden richtig behandelt.

Nach wie vor bekommen viele Menschen keine (oder zu wenig) Hilfe. Vermeidbares Leid bis hin zum Suizid können die Folge sein. Und das ist sicher nicht die Schuld der Betroffenen. Es ist nicht ihre Schuld, dass man sich viel zu oft für eine psychische Krankheit schämen muss. Dafür, dass man anders behandelt wird. Fast wie Aussätzige oder Fremdkörper. Manchmal, als ob man viel zu zerbrechlich wäre, dann, als ob man einfach zu schwach wäre. Und das von Menschen, die in ihrem gesamten Leben oft nicht einmal einen Bruchteil der Dinge ertragen und überstanden haben. Es ist so lächerlich auf jemand herabzusehen, der es schafft, mit einer schweren Angststörung zu leben, diese zu überwinden. Es ist so falsch, mit Menschen Mitleid für ihre furchtbare Kindheit zu haben, anstatt sie für die immense Stärke, die sie zeigen, indem sie trotzdem noch da sind, zu bewundern.

Faul oder gefährlich?

Mehr als genug Leute haben kein Verständnis für psychische Probleme. Oft wird, entlang der medizinischen Unterscheidung zwischen Neurosen und Psychosen, in Faule und Feiglinge einerseits und gefährliche „Verrückte“, die man wegsperren sollte, andererseits unterschieden.

Das ist richtig scheiße, und kann für die Menschen, denen es ohne jede Schuld ohnehin schon dreckig geht, zu einer enormen Belastung werden. Dagegen helfen könnte eine gesamtgesellschaftliche Anstrengung, die in Österreich schlicht und ergreifend nur von Psychiater:innen, Psychotherapeut:innen und Pharmakonzernen unternommen wird. Natürlich haben gerade die Konzerne dabei den Gedanken im Hinterkopf, dass die Betroffenen und ihr Umfeld die Informationen sammeln und die gleich daneben abgedruckten Logos dazu führen, dass sie dann Medikamente von diesem Hersteller wollen. Aber die Information ist in der Regel richtig und solange der Staat seinen Arsch nicht hochkriegt und uns im Regen stehen lässt, immer noch besser als nichts.

Eine psychische Krankheit ist nicht mehr oder weniger peinlich als eine physische Erkrankung. Meine Depressionen sind genauso wenig oder viel meine Schuld, wie deine Erbkrankheit die deinige ist. Psychische Probleme sind genauso wenig ein Zeichen von Schwäche wie Krebs.

(Un)gebrochenes Tabu

Psychische Erkrankungen sind vielleicht kein gesellschaftliches Tabu mehr. Aber von einem vernünftigen Umgang damit sind wir meilenweit entfernt. Es ist eine himmelschreiende Ungerechtigkeit, dass die Behandlung von psychischen Problemen nicht vom Gesundheitssystem sichergestellt wird und mehr als nur eine Zwei-Klassen-Medizin herrscht. Wer arm und psychisch krank ist, darf sich um einen Therapieplatz anstellen, und bekommt vielleicht einen, oder auch nicht, und wenn, dann sehr wahrscheinlich nicht nach den Kriterien, nach denen man Therapeut:innen auswählen sollte (gutes Klima, Verständnis, Arbeitsmethode etc.).

Das ist eine besondere Ungerechtigkeit. Viele Betroffenen können noch nicht einmal öffentlich dagegen protestieren. Entweder weil ihre psychische Krankheit das nicht zulässt, oder selbst wenn sie es gesundheitlich könnten, weil sie dann völlig zurecht Stigmatisierung und verschiedenste Nachteile in Beruf und Privatleben befürchten müssen.

Wenn mich jemand schlecht/abwertend behandelt, weil ich sage „Ich habe Depressionen“ oder „Ich nehme Antidepressiva“ etc., dann kann ich mir denken: „Ui, was für eine scheiß Person, ohne die versäum ich nichts.“ Aber viele können das nicht. Niemand kann das immer. Egal, wie oft ich mir sagen, solche Menschen zu ignorieren, irgendetwas macht das mit einem, immer wieder.

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