Die „Kleine Zeitung“ vom 26.08.2010 fasst unter dem Titel „Wer trägt die Last?“, mehr oder weniger spekulativ, zusammen, wo die Bundesregierung überlegt Einsparungen vornehmen und Einnahmen gewinnen zu können. Darunter finden sich vernünftige Maßnahmen (!), notwendige Maßnahmen, solche die grausam aber irgendwie argumentierbar sind, aber auch solche Ideen, die jedenfalls abzulehnen sind. Die möglichen Lastenträger_innen laut „Kleiner Zeitung“ sind:
[Weiterlesen…] ÜberSteuern und Sparen: Wo ein Nein der SPÖ Not tut
Werner Faymann
Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden…
…ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen.“, heißt es in der Erklärung, die der damalige französischen Außenminister Robert Schuman am 9. Mai 1950 der Presse vorlegte. Und weiter: „Europa läßt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung : Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.“ Dieser Erklärung wird als Geburtsstunde der Europäischen Union gedacht, weshalb der 9. Mai als Europatag eines der Symbole der EU (neben Flagge, Hymne und Euro) ist.
Gemessen an der historischen Bedeutung und Einzigartigkeit der Europäischen Einigung erfährt dieser Tag eine lächerliche Geringschätzung. Ähnlich wie der im vorangehende 8. Mai, der Tag der die Befreiung Europas von der nationalsozialistischen Diktatur markiert, die das Europa wie wir es kennen erst möglich gemacht hat. Bei aller berechtigten Kritik, bei allen Problemen und Fehlern – die Europäische Gemeinschaft, die Europäische Union ist das größte, andauernste und erfolgreichste Friedensprojekt in der Geschichte der Menschheit. Sie ist der wesentliche Faktor und Garant für Stabilität, Sicherheit und Wohlstand ihrer Bürger_innen.
Nationalismus und Politiker_innen auf dem tragischen Niveau eines Werner Faymann gefährden dieses Projekt. Im Moment ist die EU damit beschäftigt, ihre Währung zu retten und das System stabiler und fehlerfreier zu machen. Aber der Motor der EU stottert, die Achse Frankreich/Deutschland steht still, Angela Merkel lässt Nicolas Sarkozy alleine, der spanische EU-Vorsitz ist so farb- wie bedeutunglos, und wird darin nur vom ständigen Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, übertroffen, neben dem plötzlich sogar der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, Rückstände von Charisma aufweist.
Der Lichtblick in dieser Situation ist der Vertrag von Lissabon, der dem EU-Parlament mehr Macht einräumt, die dieses relativ ungeniert ergriffen hat. Das europäische Parlament ist deutlich transparenter als die meisten nationalen Gegenstücke, und überall wo es mitmischt, hat letztlich auch die Öffentlichkeit eine Chance auf Kontrolle. Was vorher die Staats- und Regierungschefs gemeinsam mit dem Kommissionspräsidenten hinter verschlossenen Türen ausgehandelt haben, muss nun immer öfter Tageslicht fürchten.
Die Europäische Union hat als Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl begonnen und wurde zur Wirtschaftsunion. Heute ist sie bereits deutlich mehr. Es ist eine Erfolgsgeschichte, die nun aber vor möglichen Rückschlägen steht. Das hat auch mit der Krise der Ideologien zu tun. Konservative, Liberale und Sozialdemokrat_innen haben keinen Plan für das 21. Jahrhundert. Solange sie sich nicht finden, wäre vermutlich sogar Stagnation statt Rückschritt schon ein Erfolg.
Die SPÖ braucht kein schärferes Profil
Die gebetsmühlenartig wiederholte Lösung aller Probleme der SPÖ, sowohl nach akuten Wahlniederlagen als auch generell wenn man (hohe) Funktionär_innen auf den Absturz der Partei in Umfragen und bei Wahlen anspricht, ist, dass die SPÖ ihr Profil wieder schärfen müsse. Generell und in der Regierungskoaliton im Besonderen. Die Formel hat zwar einen gewissen Witz, wenn sie von BK Werner Faymann kommt, dessen einzige inhaltliche Position ein „Nein zur FPÖ“ zu sein scheint. Ihm würde eine Profilschärfung durchaus gut tun, aber gerade das vermeidet er ja. Für die ganze Partei aber, ist die in Form einer Lösung vorgetragene Diagnose untauglich.
Die Sozialdemokratische Partei Österreichs ist kein farbloses Nichts vor dem die Leute stehen, und rätseln was es den sein oder bedeuten könnte. Genau das ist das Problem. Es ist vollkommen klar, wo und wofür die Sozialdemokratie steht. Auf der Seite der Schwachen, für mehr soziale Gerechtigkeit, für eine solidarische Gesellschaft. Für das Versprechen niemand zurückzulassen und allen eine Chance zu verschaffen. Das Problem ist die Enttäuschung der Mitglieder, Sympathisant_innen und potentiellen Wähler_innen über die deutliche Differenz zwischen dem, wofür die Sozialdemokratie steht, und dem, was Werner Faymann macht.
Darauf könnte man mit der noch älteren Formel „Wir müssen unsere Erfolge besser erklären und die sozialdemokratische Handschrift in der Regierung besser verkaufen“. Ja eh, aber wer kauft den schon Nichts? Bei der Mindestsicherung hat sich die SPÖ vollkommen dem Diktat der ÖVP gebeugt und in die Neiddebatte mit eingestimmt, und zum Dank dafür dem ÖVP-Plan eines Transferkontos zugestimmt. Etwas das man zuvor empört und wortgewaltig abgelehnt hat. Werner Faymann rechtfertig seine Inhaltsleere oft damit, dass er nichts versprechen will, was er nicht halten kann, damit die Menschen wieder mehr Vertrauen in die Politik gewinnen. Aber wer bitte glaubt einem Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Partei überhaupt irgendetwas, wenn sein Wort genau so lange hält, wie der Chef der ÖVP es ihm erlaubt?
Die Formel „Profilschärfen“ hat den Vorteil, dass sie den Kritiker_innen ein Mantra gibt, mit dem sie sich beschäftigen können. Gleichzeitig wirkt die Parteispitze nicht komplett der Wirklichkeit enthoben. Letztlich baut auch diese, eigentlich völlig unkonkrete, Formulierung durch ihre ständige Wiederholung eine Erwartungshaltung gegenüber der Parteispitze auf. Wenn man jetzt seit zwölf Wahlniederlagen weiß, dass man das Profil schärfen muss, dann könnte jemand auf die Idee kommen, wenn schon nicht Ergebnisse, dann zumindest Handlungen sehen zu wollen.
Werner Fußabtreter
Die SPÖ befindet sich mitten in einer Aufholjagd, sagt der Parteivorsitzende Bundeskanzler Werner Faymann. Und wird dafür landauf landab geprügelt. Dazu muss man ihn aber schon (bewusst) falsch verstehen, was weder ein Zeichen von Stärke noch von Intelligenz ist. Werner Faymann sprach explizit von der Bundespartei, er sagte explizit dass die Ausgangslage die Nationalratswahl 2008 ist, dass das Ziel die Nationalratswahl 2013 ist, und dass es in den Umfragen bergauf geht. Mehr nicht. Und unmittelbar danach führt die SPÖ erstmals seit längerem in einer östereichweiten Umfrage mit 33 % vor der ÖVP mit 32 %. Was zu einer interessanten Frage führt – wie kann eine Bundespartei deren Zustimmungswerte langsam aber stetig steigen, ihre Landesorganisationen ins Verderben stürzen? Ist vielleicht am lokalen Charakter der Wahlniederlagen sogar etwas dran? Die Ausgangslage ist für die SPÖ nicht günstigt – die SPÖ geht in den Gemeinden und Ländern von den (teils hohen) Gewinnen die ihnen die schwarz/blau/orange Bundesregierung und der Oppositionskurs gegen diese beschert hat aus, und verliert diese nun wieder, teilweise an eben jene damals am Boden liegende FPÖ, die sich ihre Wähler_innenstimmen nun wieder zurückholt.
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So wird das Wahljahr 2010 – Auswertung der Blogparade
Letztlich blieb die Teilnehmer_innenzahl an meiner Blogparade zum Wahljahr 2010 (inkl. meiner Tipps) im oberen einstelligen Bereich, was ich ein bisschen schade finde, mich hätte die Tipps von weit mehr Blogger_innen interessiert. Das soll aber keine Jammerei oder Undankbarkeit zum Ausdruck bringen, immerhin hätte die Blogparade auch floppen können. Ich möchte mich bei allen Teilnehmer_innen bedanken, und ebenso bei allen netten Leuten, die den Aufruf weiterverbreitet haben. Nun aber zur Auswertung der Blogparade:
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Österreich. Eine Liebeserklärung.
Österreich ist ein strukturkonservatives Land im Würgegriff reaktionär-konservativer Organisationen wie der katholischen Kirche, das von den beiden Diktaturen die es im 20. Jahrhundert geprägt haben, eine nie aufgearbeitet hat und allen Ernstes Debatten darüber führt, ob jemand der eine katholische Diktatur errichtet und politische Gegner in Lager sperrt, nicht ein Held war, weil er ja Österreich nicht an Hitler übergeben wollte. Also jenen Führer, der die zweite Diktatur verkörpert, bei der „wir“ zwar dabei waren, was aber so weit zurück liegt, dass man schon einen Schlussstrich ziehen kann. Außerdem haben wir daraus gelernt und es gibt heute genug Probleme, insbesondere die Umvolkung.
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Blogparade: Wahljahr 2010
Ich würde mich sehr freuen, wenn viele politikinteressierte Blogger_innen, so wie ich im Folgenden, einen Tipp für das Wahljahr 2010 abgeben. Sicher gibt es viel zu viele unbekannte Werte, um eine seriöse Prognose zu machen. Aber eine halbseriöse basierend auf politischem Wissen und Annahmen einer gleichförmigen Weltentwicklung, können auch ganz gut sein. Und vor allem interessant.
Außerdem gibt es in der österreichischen Politik-Blog-Szene eh relativ wenig Interaktion. Wie es sich für eine Blogparade gehört, wird es eine Endauswertung geben. Diese werde ich am 31. Jänner 2010 vornehmen, womit das Enddatum gesetzt ist. Um darin vorzukommen, muss man mich klarerweise über den Beitrag, in dem idealerweise auf die Blogparade hingewiesen werden sollte, informieren. Durch Track/Pingback, einen Kommentar oder per Kontaktformular oder Facebook oder Twitter.
Wahljahr 2010 – ein Ausblick
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Die ÖVP – ein Zustand
Allen österreichischen Parteien werden verschiedene Eigenschaften zugeschrieben, passende, wie dass die FPÖ mit xenophoben Stereotypen und Vorurteilen spielt, oder die SPÖ wenns darauf ankommt, zusammenhält, und eher weniger passende, wie dass die Grünen links sind, oder dass die KPÖ politische Relevanz besitzt.
Bei der ÖVP scheint mir die Begriffsverwirrung aber besonders groß zu sein. Die häufigsten Adjektive sind, soweit ich das mitbekomme, „liberal“, „wirtschaftsliberal“, „neoliberal“, „konservativ“, „christlich-sozial“, „bürgerlich“, „austrofaschistisch“, „katholisch“ und „verstaubt“. Diese Liste stellt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Allerdings behaupte ich, dass sich, wenn man die ÖVP über die letzten 10 Jahre hin betrachtet, ein recht klares Bild ergibt, dass eigentlich recht deutlich zeigt, welche Begriffe obsolet geworden sind (so sie historisch mitgeschleppt werden) oder nie gepasst haben.
Wer auf die Idee gekommen ist, der ÖVP das Wort „liberal“ nachzuschmeißen, lässt sich wohl nicht mehr herausfinden, aber es wäre schon interessant, die Person zu fragen, ob sie einfach falsch verstanden wurde, oder nicht genau genug unterscheiden kann. In der ÖVP gibt es relativ starke wirtschaftsliberale Kräfte, die sich vor allem aus zwei ideologischen Lagern speisen – den Neoliberalen (bzw. dass was man unter „Mehr Privat, weniger Staat“ subsumiert) und den Anhängern des äußerst bezeichnenden Slogans „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“. Diese unterscheiden sich in zentralen Fragen, den für letztere darf der Staat nicht nur in die Wirtschaft eingreifen, sondern soll es, zu dem bestimmten Zweck sie zu fördern, sogar. In anderen Fragen, wie dass der Staat die Wirtschaft nicht für das Wohl des Pöbels mit Steuern belasten soll, ist man sich aber einig. Das wars dann aber auch schon mit der Liberalität in der ÖVP, die Freiheit, die sie meinen, ist eine exklusive und beschränkte.
Vereinzelt fallen ÖVP-Politiker_innen mit der Festelltung, sie oder ihre Partei seien „christlich-sozial“ auf, da dies über die ÖVP allgemein eigentlich nur mehr sehr ironisch gesagt wird. Es ist ja auch empirisch nachweisbar, dass die ÖVP auf die Schwächsten herzlich wenig gibt, sondern ihnen höchstens vorwirft, sich ihre Armut ausgesucht zu haben, um der Allgemeinheit auf der Tasche zu liegen. Christlich allerdings, zumindest im Sinn von „stark mit der römisch-katholischen Kirche verwoben“, ist die ÖVP nach wie vor.
Ihr deshalb vorzuwerfen, sie sei austrofaschistisch, ist trotzdem zuweit hergeholt. Um moralisch verwerflich zu sein, reicht es schließlich auch, so zu tun als wäre der Austrofaschismus keine faschistische katholische Diktatur, sondern eine Art heroischer Widerstand gegen die größere faschistische Diktatur im Norden gewesen, und sich deshalb bis heute nicht von einem Politiker, dessen größte Leistungen es waren, das Parlament der 1. Republik auszuschalten, das Bundesheer im Inland gegen den Widerstand dagegen einzusetzten und politische Gegner in Lager zu schicken, zu distanzieren.
Die ÖVP ist katholisch, aber dass ist längst nicht mehr die zentrale Eigenschaft der Partei. Im Zweifelsfall wird sie immer der Wirtschaft (in oben beschriebenem Sinn) den Vorzug geben. Trotzdem sind „neoliberal“ bzw. „wirtschaftsfreundlich und -hörig“ nicht die zentralen Eigenschaft der ÖVP. Was die Partei durch und durch ausmacht, was sich in ihrer Politik und Ideologie in einer Deutlichkeit widerspiegelt, wie sie keine andere österreichische Partei (mehr) hat, ist, dass die ÖVP (erz)konservativ ist.
Konservatismus ist nichts an sich schlechtes, sondern eine legitime politische Ideologie, wie es die anderen beiden großen europäischen Ideologien, Sozialismus und Liberalismus, auch sind. Doch die Ausprägung und Stoßrichtung in der ÖVP ist eine ganz besondere. Konservativ bedeutet nicht unbedingt xenophob, die ÖVP aber interpretiert es so, dementsprechend fremdenfeindlich und rechtsaußen agiert sie. Konservativ bedeutet nicht ein darauf beharren, dass die „Oberen“ unter sich bleiben – für die ÖVP ein zentrales politisches Anliegen. Konservativ bedeutet eigentlich eher überhaupt nicht, Menschenrechte und Menschenwürde allerhöchstens eingeschränkt zu akzeptieren – die ÖVP hat kein Problem mit der entmenschlichenden Politik der FPÖ und dem wiederholten Infragestellten von Rechten bestimmter gesellschaftlicher Gruppen (insbesondere Frauen und schwach vertretende bzw. finanziell irrelevante Minderheiten).
Das ist der Zustand der ÖVP, in dem sie Wolfgang Schüssel an Josef Pröll übergeben hat1. Ob der etwas anderes daraus macht, machen kann, ist fraglich. Was seine Perspektivengruppe erarbeitet hat, ist so lieb und brav, wie es egal ist, und die Akzente die er setzt, sind doch eher marginal (im Wesentlichten ist er da, und sieht neben Werner Faymann gut aus, was keine besonders beeindruckende politische Leistung ist, und inhaltlich nichts aussagt).
Das soll, das möchte ich abschließend betonen, um nicht missverstanden zu werden, keine generelle Verdammung der Konservativen oder der ÖVP an sich sein. Sie gehören keineswegs zu den ablehnenswerten ekelhaften Ideologien vom Misthaufen der Menschheit, aus dem eine FPÖ gekrochen kam. Ich kenne sehr schlaue und schätzenswerte Konservative, wie etwa Christian Klepej und Michael Thurm aus der Blogosphäre, und aus persönlicher Erfahrung bzw. Zusammenarbeit noch einige mehr. Es gibt genug intelligente, humane Wege konservativ zu sein. Die ÖVP verfolgt sie nur einfach nicht (oder zuwenig).
Zur Lage der Regierung
Die Regierung Pröll I wird ein Jahr alt, und aus diesem Anlass wird im ganzen Land eine erste Bilanz gezogen, und diese beurteilt. Ich habe bereits im Mai eine Zwischenbeurteilung geschrieben, und werde nun im Folgenden kurz analysieren, was sich seither verändert hat.
Der Gute
Nach wie vor im Wesentlichen ohne Fehl und Tadel agiert Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner von der ÖVP. Er macht nicht nur keine Fehler, sondern steuert das Schiff „Wirtschaftspolitik“ bei hohem Wellengang souverän und unideologisch. Wäre Sozialminister Rudolf Hundsdorfer bei der ÖVP, könnte er wie im Mai in dieser Kategorie bleiben. Als Sozialdemokrat hat er aber einfach versagt, und ist deshalb weiter unten zu finden.
Der Durchschnitt
Nach einem Jahr hat sich die Kategorie „Die Fehlerfreien“ erübrigt, solide Arbeiten leisten aber doch einige Regierungsmitglieder. Norbert Darabos (SPÖ) macht sich zwar mit dem Assitenzeinsatz lächerlich, und führt das unterfinanzierte Bundesheer so widerwillig, wie es sich widerwillig führen lässt. Als Sportminister, der erste der wirklich gegen Doping vorgeht, macht er aber gut Figur. Auch Gesundheitsminister Alois Stöger (SPÖ) hat keine beeindruckende, aber auch keine schlechte Bilanz. Seit langem haben die Beteiligten an einer möglichen Gesundheitsreform zumindest miteinander geredet, und eine Entschuldung der Kassen möglich gemacht. Frauen- und Beamtenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) musste die eingetragene Partnerschaft mit Maria Fekter ausverhandeln, und das Ergebnis ist keine Abschiebung aller „Warmen“, insofern ein Erfolg. Als Frauenministerin schmeißt sie mit den üblichen tendenziösen und kontextlosen Statistik um sich, ohne nennenswerte politische Akzente setzten zu können. Zumindest ist sie der Beamtenschaft aber nicht so verhasst wie ihre Genossin, die Bildungsministerin.
Die Abwesenden
Österreich hat einen Außenminister. Sein Name ist Michael „Igitt, ein Homopaar möchte ich nicht am Standesamt sehen“ Spindelegger (ÖVP). Als ÖAAB-Chef trat er noch manchmal aus dem Schatten seiner Generalsekräterin Beatrix Karl, als Außenminister war die einzige Aktion mit der er mir auffiel, dass er unendlich viel länger brauchte, um auf die massiven Proteste im Iran zu reagieren, als die restliche demokratische Welt. Und auch wenn Österreich keine Umweltpolitik hat, so hat es doch einen Umwelt- und Landwirtschaftsminister. Seine Name ist Nikolaus Berlakovich von der ÖVP. Eigentlich müsste man ihn für den österreichischen Sonderweg bei Kyoto ja scharf kritisieren, auch dafür dass auf das peinliche Versagen keine Reaktion erfolgte, aber Berlakovich hat ja nichts gemacht. Und außerdem – wo ist er überhaupt?
Die Mangelhaften
Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ist eigentlich zu vorsichtig feig, um sich konkret zu einem Thema zu äußern (bis auf die ihm hoch anzurechnende Distanzierung und Verurteilung der HasspredigerInnen von der FPÖ). Bei den Uniprotesten machte er eine Außnahme von der Regel, gab innerhalb kürzester Zeit zumindest 3 einander dirket widersprechende Meinungen ab, nur um sich letztendlich wieder ins nebulöse Nichts zurückzuziehen. Ansonsten fällt er, auch mangels Ressort, neben Regierungschef Pröll nicht weiter auf. Sozialminister Rudolf Hundsdorfer (SPÖ) ließ seit Mai jede Chance sozialdemokratische Akzente zu setzten aus, machte dafür aber so treu wie sonst nur Werner Faymann, der asozialen Kürzung der Mindestsicherung durch die ÖVP die Mauer. Zur Erinnerung – Rudolf Hundsdorfer ist Sozial- und Arbeitsminister. Was genau hat er für sozial Schwache, für Arbeitslose, oder für Arbeitsplatzbeschaffung gemacht? Eben.
Bildungsministerin Claudia Schmid (SPÖ) hat sich zumindest nicht allzuviele neue Feinde gemacht, und die „Neue Mittelschule“ zumindest nicht versenkt, dafür die Zentralmatura zaghaft auf Kurs gebracht. Zwar kann man beim Zustand des österreichischen Bildungssystems keinem/keiner BildungsministerIn ein Lob aussprechen, aber Schmid arbeitet zumindest in eine andere Richtung, als Elisabeth Gehrer, die Generationen von SchülerInnen massiv geschädigt hat. Infrastrukturministerin Doris Bures (SPÖ) hat mit den ÖBB ein unlösbares Problem und kann insofern schwer eine gute Performance ablegen. Zumindest hat sie die zu Ineffizienz führenden Privatisierungsvorbereitungen der Regierung Schüssel rückgängig gemacht. Das die Bahn dennoch ein Faß ohne Boden ist, könnte an der extrem LKW- und Straßenverkehrsfreundlichen Politik liegen. Würde man hier für Kostenwahrheit sorgen, hätten die ÖBB auch kein Defizit mehr. Der Postmarkt hat zumindest ein Gesetz bekommen, mit dem irgendwie alle leben können, auch wenn es niemand freut, ein echter Kompromiss also.
Der Größte Finanzminister aller Zeiten
ÖVP- und Regierungschef Josef „Der steppende Sepp“ Pröll zeigt nach wie vor keinerlei Kompetenz als Finanzminister, versteht aber dennoch geschickt, die Regierung mit Finanzierungsabsagen bzw. Zusagen zu führen. Nur nützt das dem Staat Österreich herzlich wenig. Dass seine einzige bisher vorgeschlagene Reaktion auf die Explosion der Verschuldung auf 70 % des BIP die Einführung eines Transferkontos ist, spricht dafür, dass er weiß, wie man auf sozial Schwache losgeht, ist aber doch eher weniger geeignet, irgendjemand wirklich zu helfen.
Der Hahn ist ausgeflogen
Noch-Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) hinterlässt eine dampfende Ruine, die noch etwas kaputter ist, als sie es zur Zeit seines Amtsantritts war. Als Vollstrecker der ÖVP-Bildungspolitik hatte Hahn aber auch keine Möglichkeit, daran etwas zu änderen. Das Kaputtsparen der öffentlichen Hochschulen, um zu beweisen, wie wichtig private (unternehmerische) Finanzierung ist, das Hereinholen dieser Universitätsfremden in das mächtigste universitäre Gremium (Universitätsrat), und das Ziel, Hochschulbildung nur für die zu ermöglichen, die in den richtigen Stand hineingeboren wurden, sind eine Mischung die keinE PolitikerIn so vertreten könnte, das er/sie übertrieben intelligent oder sympathisch wirkt.
Rücktritt! Rücktritt! Rücktritt!
Innenministerin Maria Fekter (ÖVP) hat ein gigantisches Sündenregister, mit dem nur Justizministerin Claudia Bandion-Ortner (von der ÖVP eingesetzt und beworben) mithalten kann. Das man, wenn unter dubiosen Umständen ein Kind von einem Politzisten erschossen wird, nicht nachfragt, sondern dem Kind die Schuld gibt, ist genauso Fekter, wie der Generalverdacht gegen alles Fremde. Das man von einem Thema keine Ahnung haben muss, um sich dabei zu blamieren (zB Internetsperren) ist genauso Bandion-Ortner, wie politische Willkürjustiz zu decken. In einer kritischen Demokratie mit einer funktionierenden Medienlandschaft, hätte keine der beiden Frauen mehr ihr Amt. Die Performance der Regierung ist in Summe in etwa so (nämlich leicht unterdurchschnittlich), wie man dies anhand ihrer Mitglieder erwarten kann. Die Visionslosigkeit und Feigheit, gepaart mit der Inkometenz führen dazu, das Österreich wieder fest im Griff seiner Schattenregierungen (Sozialpartnerschaft, Raiffeisenbank, Kronen Zeitung) ist.
Change we can belive in
Vor einem Jahr opferten viele von uns den Großteil einer Nacht, um anstatt zu schlafen, die Wahl des Präsidenten der USA zu verfolgen. Barack Obamas Wahlkampf hatte halb Europa elektrisiert, und die Erinnerung an die schockierende Wiederwahl von George W. Bush (und für manche auch die Paranoia von „gestohlenen“ Wahlen) brachte für die BeobachterInnen Spannung in einen längst entschiedenen, in vielerlei Hinsicht bemerkenswerten, Wahlkampf. Barack Obama wurde gewählt und die Euphorie erreicht damit, zwei Monate vor seinem tatsächlichen Amtsantritt, den Höhepunkt. Die Videos einiger der bekanntesten, bewegensten und bedeutensten Reden Obamas, sollen dabei helfen, sich an diese Stimmung zu erinnern.
Idioten nannte ich damals die Leute, die sich das Fließen von Milch und Honig (d.h. vor allem die Umwandlung der USA in einen Sozialstaat westeuropäischen Zuschnitts binnen Tagen) erwarteten, und Idioten nenne ich sie heute. Obama wurde Präsident eines Landes, das nach 4 Jahren neokonservativer, imperialistischer Politik diese wiedergewählt hatte. Obama wurde der erste schwarze Präsident dieses Landes. Allein seine Wahl ist bemerkenswert, aber wer erwartete, dass sich nun alles sofort grundlegend ändert, hat nichts verstanden.
Und doch hat sich erstaunlich viel geändert. Der geflügelte Wort vom neuen Kalten Krieg ist 10 Monate nach dem Ausscheiden von George W. Bush aus dem Amt, aus dem politischen Sprachgebrauch verschwunden. Die ersten ernsthaften Abrüstungsgespräche zwischen Russland und den USA seit langem laufen. Obama hat die USA zu einem aktiven (statt blockierenden) Mitglied der Vereinten Nationen gemacht und die feindselige Politik der USA gegenüber islamischen Ländern beendet, ebenso die Beziehungen zu Lateinamerika verbessert und es Amerikanern ermöglicht, ihre Verwandten auf Kuba zu besuchen.
Er investiert stärker in das Weltraumprogramm (wie versprochen, eine der zahlreichen Ähnlichkeiten zu John F. Kennedy) und alternative Energien und hat die USA vom „Klimawandel gibt es nicht und interessiert uns nicht“-Kurs abgebracht. Er hat auch die Bezugszeiten für Arbeitslosengeld verlängert, und nebenbei die USA nicht so schlecht durch die Wirtschaftskrise manövriert. Obama sagte am Wahlabend „change has come to America“, und daran kann kein Zweifel bestehen.
Das der Widerstand der Republikaner gegen ihn so groß sein würde, wie der der Linken gegen Bush, kam für viele überraschend, ebenso der schwache Rückhalt Obamas in der Demokratischen Partei in manchen Fragen. Gerade bei der umstrittenen Gesundheitsreform, die die USA näher an westeuropäische Standards bringen sollte, fehlt etwa Ted Kennedy in der innerparteilichen Auseinandersetzung schmerzhaft. Aber allein der Umstand dass der „Sozialismus“-Vorwurf so funktioniert wie er funktioniert, sagt sehr viel über die Befindlichkeit des Landes das Obama regiert aus, und wieso es so schwer für ihn ist, viele seiner Versprechen und Überzeugungen voranzutreiben.
Bei den Bilanzen die nun gezogen werden, darf nicht vergessen werden, dass es die ersten 10 Monate von vier Jahren sind, über die gesprochen wird. Das heißt, die Zeit, wirklich etwas zu erreichen (oder tatsächlich zu versagen), kommt erst. Und abschließend, damit wir Österreicher nicht die Releation verlieren, wenn wir den Präsident der USA beurteilen, noch zwei Stichworte: Werner Faymann und Josef Pröll.