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Feuerhaken.org

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Parlament

Gegen Dollfuß und Stalin

19.07.2010 by Thomas Knapp Kommentar verfassen

Die Sowjetunion. Der ewige Feind, dem sogar die Gerissenheit zuzutrauen ist, einen totalen Zusammenbruch vorzutäuschen, nur um Jahrzehnte später, im richtigen Moment, doch noch zuzuschlagen. Das ist das Bedrohungsszenario, für das das österreichische Bundesheer dimensioniert ist. Ein Heer, das sich, wie längst ins Allgemeinwissen übergegangen ist, in keinem übertrieben guten Zustand befindet. Lange schon ist es unterfinanziert. Dabei wendet der Staat immerhin 2,5 Milliarden Euro auf, was 0,9 % des BIP entspricht1 auf. Freilich, der Anteil der militärischen Ausgaben ist stetig im Sinken begriffen -1988 waren es noch 1,3 % vom BIP, 2000 immerhin noch 1 %. Damit liegt Österreich deutlich unter dem EU-Durchschnitt, hält aber, anders als viele andere Staaten, an einem Heer das für einen neutralen Staat im Kalten Krieg dimensioniert wurde, fest.
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Kategorie: Knapp kommentiert Stichworte: Bundesheer, BZÖ, ÖVP, Parlament, SPÖ, Wehrpflicht

Der Sozialstaat ist das Böse

06.06.2010 by Thomas Knapp 1 Kommentar

Hans Rauscher, meiner Meinung nach der inzwischen mit Abstand am meisten überschätzte Journalist des Landes, hat eine Kolumne über die „seltsamen Niederländer“ geschrieben. Wie ähnlich sie doch Österreich sind (klein, konservativ, viele eingewanderte Muslime und mit Geert Wilders ein Rechtspopulist der das ausschlachtet) und wie sie sich (angeblich) von Österreich unterscheiden – im Wahlkampf für die anstehenden Parlamentswahlen (bei denen Geert Wilders einen Erdrutschsieg feiern wird) ist nämlich das Thema „Islam“ zugunsten der „Finanzkrise“ in den Hintergrund getreten. Die Parteien werben mit einem Zurückstutzen des Sozialstaates um Stimmen, und die die schärfsten Kürzungen verlangen, legen am meisten zu.

So Rauschers Schilderung. Ich glaube ja, dass der Unterschied zu Österreich nicht gegeben ist. Wenn man sie die dominanten Themen, die Motive der Wähler_innen im Burgenland oder die (Nicht-)Präsenz der FPÖ in den Medien (obwohl sie in Wien und der Steiermark Vorwahlkampf führt) ansieht, glaube ich dass die Finanzkrise auch bei uns Thema Nr. 1 ist, und die Umlegung auf „Die Ausländer sind schuld an der Finanzkrise“ noch nicht so ganz funktioniert.

Hans „Wir haben über unseren Verhältnissen gelebt“ Rauscher freut sich aber ganz offensichtlich darüber, dass die Niederländer_innen anscheinend bereit sind, soziale Rechte zurückzustellen, um den Staatshaushalt vor dem drohenden/angedrohten Kollaps zu retten. 20 Milliarden Euro sollen im Sozialbudget einspart werden, und fast alle Parteien vertreten eine Politik in diese Richtung, die, wie Rauscher klagt, in Österreich als neoliberal gebrandmarkt werden würde.

Ich würd das nicht unbedingt neoliberal nennen. Neoliberale werden sicher eine gewisse Freude haben, wenn der Staat sich selbst verstümmelt. Immerhin durften sie jetzt für einige Zeit ihre Heilsbotschaften nicht (so laut) verkünden, nachdem die Staaten uns vor den Konsequenzen eben dieser retten mussten. Aber dass jetzt diejenigen die sich nicht wehren können, die eh schon die Schwachen sind, die so überhaupt nichts für die Situation können, zum Handkuss kommen, während man vor jeder Reform des Systems zurückschreckt und die Verursacher_innen und Schuldigen um Vergebung bitte und sanft bettet, ist nicht neoliberal, sondern einfach dumm, scheiße, unmoralisch, letztklassig, unmenschlich, also einfach das Letzte.

Man kann ganz klar sagen, was Rauscher (bei Gott nicht alleine) da so feiert, als vernünftige Konsequenz, als (Er-)Lösung: Wir, als Gesellschaft, müssen auf das Einfordern sozialer Rechte verzichten, damit einige weiterhin das System nach ihrem Willen hin zu einer für sie kurzfristig ertragreichen Selbstzerstörungsmaschine formen können.

Warum Menschen das akzeptieren? Nicht weil sie plötzlich „vernünftig“ geworden sind. Eingesehen haben, dass sie mit ihren 800-900 Euro im Monat über ihren Verhältnissen gelebt haben (Rauscher, und das muss man jetzt so vereinfacht sagen, hat sicher nicht über seinen Verhältnissen gelebt, denn er wird nirgends zurückstecken). Nein, weil sie Angst haben. Weil von allen Seiten Angst gemacht wird. Weil Lösungen fehlen. Weil die politische Linke total auf ganzer Linie vollkommen versagt und überhaupt keine Antwort hat. Weil die Sozialdemokratie ihren pragmatischen und moderaten Anspruch weg vom demokratischen Sozialismus hin zu „Wachstum gerecht verteilen“ und jetzt „den Armen nicht ganz so schlimm weh tun“ entwickelt hat. Weil der Liberalismus von Libertarismus und Neoliberalismus ausgehölt und aufgefressen wird, ohne dass es viele merken, so dass man immer noch glaubt, man sieht die liberale Idee, während der Ideologie gewordene kurzsichtige Egoismus das Denken leitet.

Und dieser Totalausfall der progressiven Kräfte ist gefährlich. Denn wir sind in einer Zeit, in der es progressive Politik braucht, nicht bewahrende. In der alles was die Sozialdemokratie erreicht hat, in Gefahr ist. Weshalb sozialdemokratische Antworten notwendig wären. Die Alternative zur Linken ist eine sich sozial gebende Rechte vulgo Rechtspopulismus. Ängste instrumentalisieren und Lösungen versprechen. Und die Antwort darauf ist nicht mehr Populismus, ist nicht mehr staatstragend-moderates Auftreten. Die einzige Antwort darauf ist sozialdemokratische Politik.

Kategorie: Knapp kommentiert Stichworte: FPÖ, Liberalismus, Neoliberalismus, Parlament, Populismus, RFS, Sozialstaat

Der Friede der Welt kann nicht gewahrt werden…

09.05.2010 by Thomas Knapp Kommentar verfassen

…ohne schöpferische Anstrengungen, die der Größe der Bedrohung entsprechen.“, heißt es in der Erklärung, die der damalige französischen Außenminister Robert Schuman am 9. Mai 1950 der Presse vorlegte. Und weiter: „Europa läßt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung : Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen.“ Dieser Erklärung wird als Geburtsstunde der Europäischen Union gedacht, weshalb der 9. Mai als Europatag eines der Symbole der EU (neben Flagge, Hymne und Euro) ist.

Gemessen an der historischen Bedeutung und Einzigartigkeit der Europäischen Einigung erfährt dieser Tag eine lächerliche Geringschätzung. Ähnlich wie der im vorangehende 8. Mai, der Tag der die Befreiung Europas von der nationalsozialistischen Diktatur markiert, die das Europa wie wir es kennen erst möglich gemacht hat. Bei aller berechtigten Kritik, bei allen Problemen und Fehlern – die Europäische Gemeinschaft, die Europäische Union ist das größte, andauernste und erfolgreichste Friedensprojekt in der Geschichte der Menschheit. Sie ist der wesentliche Faktor und Garant für Stabilität, Sicherheit und Wohlstand ihrer Bürger_innen.

Nationalismus und Politiker_innen auf dem tragischen Niveau eines Werner Faymann gefährden dieses Projekt. Im Moment ist die EU damit beschäftigt, ihre Währung zu retten und das System stabiler und fehlerfreier zu machen. Aber der Motor der EU stottert, die Achse Frankreich/Deutschland steht still, Angela Merkel lässt Nicolas Sarkozy alleine, der spanische EU-Vorsitz ist so farb- wie bedeutunglos, und wird darin nur vom ständigen Präsidenten des Europäischen Rates, Herman Van Rompuy, übertroffen, neben dem plötzlich sogar der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso, Rückstände von Charisma aufweist.

Der Lichtblick in dieser Situation ist der Vertrag von Lissabon, der dem EU-Parlament mehr Macht einräumt, die dieses relativ ungeniert ergriffen hat. Das europäische Parlament ist deutlich transparenter als die meisten nationalen Gegenstücke, und überall wo es mitmischt, hat letztlich auch die Öffentlichkeit eine Chance auf Kontrolle. Was vorher die Staats- und Regierungschefs gemeinsam mit dem Kommissionspräsidenten hinter verschlossenen Türen ausgehandelt haben, muss nun immer öfter Tageslicht fürchten.

Die Europäische Union hat als Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl begonnen und wurde zur Wirtschaftsunion. Heute ist sie bereits deutlich mehr. Es ist eine Erfolgsgeschichte, die nun aber vor möglichen Rückschlägen steht. Das hat auch mit der Krise der Ideologien zu tun. Konservative, Liberale und Sozialdemokrat_innen haben keinen Plan für das 21. Jahrhundert. Solange sie sich nicht finden, wäre vermutlich sogar Stagnation statt Rückschritt schon ein Erfolg.

Kategorie: Geschichte Stichworte: EU-Parlament, Liberalismus, Nationalismus, Parlament, Werner Faymann

2000-2006: Schüssels Bilanz

15.02.2010 by Thomas Knapp Kommentar verfassen

Vor etwas mehr als zehn Jahren wurde die erste blau/schwarze Regierung Österreichs angelobt. Diesem Anlass wurde in den letzten Wochen viel Platz eingeräumt, um die Erinnerungen von Zeitzeug_innen einzuholen, und das Erbe der Kanzlerschaft Wolfgang Schüssels zu diskutieren. Bei dessen Bewertung die Meinungen bekanntlich auseinander fallen.

Für die einen ist der Regierungseintritt der FPÖ der Sündenfall an sich, und alles was danach kommt daher befleckt und muss nicht mehr gesondert bewertet werden. Für andere ist Wolfgang Schüssel eine Lichtgestalt die zumindest versuchte, das Budget zu sanieren, den Staat zu modernisieren und die Welt zu retten. Dazwischen bewegen sich Menschen wie ich, die gerne etwas differenzierter Denken möchten.

Blau/Schwarz hat eine in Österreich sehr seltene Eruption der Zivilgesellschaft provoziert, die länger anhielt als gedacht und letztlich sogar die trägste Organisation Österreichs, den ÖGB, in Bewegung setzte. Anders als Robert Misik bezweifle ich aber, dass die 300.000 die damals demonstrierten, heute noch reaktivierbar wären. Ich denke der Vergleich Ausländervolksbegehren-Lichtermeer ist hier passend, heute gibt es keine Aufstände mehr, gegen die großteils umgesetzten Forderungen des damals so provozierenden und Widerstand auslösenden Volksbegehrens.

Blau/Schwarz hat den unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruch des österreichischen Pensionssystems hinausgezögert, nur weder nachhaltig saniert noch gerecht agiert. Stattdessen versuchte man blind den neoliberalen Idealen folgend, die private Vorsorge als Messias zu etablieren. Noch viel schlimmer sieht es allerdings bei dem wohl größten Prestigeprojekt von Blau/Schwarz aus – dem Staatshaushalt. Von saniertem Budget und Nulldefizit (wurde sogar Wort des Jahres) war viel zu hören. Und Wolfgang Schüssel wird bis heute nicht müde, Karl-Heinz Grasser deshalb als überaus fähigen Finanzminister zu lobpreisen. Die Wirklichkeit ist freilich eine andere. Das Nulldefizit 2001 kam ohne jede Form der Sanierung zustande, Ländern und Gemeinden erwirtschafteten Überschüsse, die Abgabenquote war zuvor auf 45,5 %, das ist der höchste Wert der II. Republik, erhöht worden und es wurde privatisiert, was nur irgendwie ging. Letzteres wirkte zwar nachhaltig, nur leider schädlich. Nicht nur dass der Republik nachweislich Geld entging, weil zu billig oder im falschen Moment verkauft wurde, die Flut an Verdachtsmomenten hinsichtlich Freunderlwirtschaft und massiver Korruption hinterlassen angesichts der realen Schäden nicht nur einen besonders üblen Nachgeschmack, sondern beschäftigen wohl noch für längere Zeit die Ermittler_innen. Und dann gab es da noch das Defizit des Jahres 2004, das laut Grasser 1,2 % betrug. Nur wurden dabei die Kosten der ÖBB-Reform „vergessen“. Eurostat korrigierte die Zahlen und gab bekannt, dass das Defizit 4,4 % betrug, mehr als die Große Koalition im Jahr 2009 (dem mit der größten weltweiten Wirtschaftskrise seit 1929) zu Stande brachte.

Blau/Schwarz regierte, neben dem unbedingten Primat der Geschwindigkeit über die Qualität, aber auch nach dem Motto „divide et impera“, was wenig überraschend Neid, Missgunst und Hass schürt(e) und, das ist aber auch ein Versagen der Zivilgesellschaft, der Gewerkschaft und der politischen Opposition, die Solidarität unter den sozial schwachen auslöschte und diese blind gegeneinander aufhetzbar machte (noch stärker als zuvor, die erwähnten Organisationen haben mit ihrem Versagen ja auch nicht erst 2000 begonnen).

Als die FPÖ implodierte, feierte Wolfgang Schüssel einen fulminanten Wahlsieg, den er neben dem eigenen, hervorragenden Wahlkampf ganz besonders auch der Unfähigkeit der SPÖ (die z.B. zu Wahlkampfbeginn in den Umfragen vorne lag) verdankte, und der eine Fortsetzung der Koalition ermöglichte. Doch schwarz/blau stand nun unter ganz anderen Vorzeichen, die FPÖ kam nicht zur Ruhe, konnte keinerlei Profil oder Positionen entwickeln und machte es für die ÖVP noch nicht einmal nötig, so zu tun, als wolle man den Koalitionspartner leben lassen. In der schwarzen Alleinregierung mit blauen, später orangen, Statist_innen, war aber viel vom Tempo draußen. Sowohl bei der Regierung, als auch bei ihren Gegner_innen. Gesamtgesellschaftlich gesehen, ist Österreich in diesen 6 Jahren nach rechts gerückt, den Trend gab es allerdings schon vor 2000. Neu waren die starken neoliberalen Einflüsse auf die Politik, die inzwischen auch schon wieder weitgehend verschwunden sind. Freilich, die angerichtete Polarisierung ist noch da. Wirklich groß verändert hat Wolfgang Schüssel die Republik nicht, wenn man 1999 mit 2009 vergleicht, die Art Politik zu machen, die Vergabe von Posten nach dem alten rot-schwarzen Proporzsystem (zumindest an Leute, die wissen was sie eigentlich zu tun haben/hätten), die vollständig rehabilitiert und (teilweise) in Verfassungsrang erhobene Sozialpartnerschaft, die Regierung, die Opposition und selbst die Inhalte über den gestritten wird – so ist vieles gleich, manches leicht verändert, wenig neu (der wesentlichste Unterschied ist das BZÖ, also nicht viel).

Wolfgang Schüssel wollte sicher mehr, und gescheitert ist er gar nicht am Widerstand, zu der Probe kam es letztlich nie, da die größte Schwäche von Schwarz/Blau-orange das Personal war, insbesondere das der FPÖ/des BZÖ. Damit wurde etwa die Forschung in Seibersdorf nachhaltig geschädigt, in manchen Ressorts herrschte Stillstand oder Chaos. Auch die ÖVP war um „spezielles“ Personal nicht verlegen, und brachte etwa einen Andreas Kohl an die Spitze des Nationalrates, der nicht nur die Trennung von Staat und Religion ablehnt, sondern auch die Ausschaltung des Parlaments und des Verfassungsgerichtshofes, das Internieren bzw. Ermorden Andersdenkender und die Errichtung eines faschistischen Ständestaates als „weiche Demokratie“ bezeichnet.

Da passt auch Jörg Haiders Anwalt als Justizminister, Dieter „Warum machen wir nicht ein Gesetz gegen kritische Journalist_innen?“ Böhmdorfer, gut ins Bild. Was von Wolfgang Schüssels Kanzlerschaft bleibt, sind vereinzelte Erfolge, wie die NS-Entschädigungszahlungen in einer Chronik des Scheiterns und des Schadens. Wolfgang Schüssel ist heue ein verbitterter einfacher Nationalratsabgeordneter, seine Getreuen konnten zwar die Folgekoalition aus Frust sprengen, wurden aber von der Raiffeisen Familie Pröll (letztlich hatte Erwin doch den längeren Atem) aus einflussreichen Ämtern entfernt. Mit der Distanz wird Schüssel wohl wegen der großen Macht die er dank unfähigem Koalitionspartner für die ÖVP erreichen konnte, glorifiziert werden. Die Republik aber hat ihn aber relativ unbeschadet (bzw. unverändert) überstanden.

Kategorie: Knapp kommentiert Stichworte: BZÖ, FPÖ, Gewerkschaft, GRAS, Jörg Haider, Korruption, ORF, ÖVP, Parlament, SPÖ

Die ÖVP – ein Zustand

25.12.2009 by Thomas Knapp 5 Kommentare

Allen österreichischen Parteien werden verschiedene Eigenschaften zugeschrieben, passende, wie dass die FPÖ mit xenophoben Stereotypen und Vorurteilen spielt, oder die SPÖ wenns darauf ankommt, zusammenhält, und eher weniger passende, wie dass die Grünen links sind, oder dass die KPÖ politische Relevanz besitzt.

Bei der ÖVP scheint mir die Begriffsverwirrung aber besonders groß zu sein. Die häufigsten Adjektive sind, soweit ich das mitbekomme, „liberal“, „wirtschaftsliberal“, „neoliberal“, „konservativ“, „christlich-sozial“, „bürgerlich“, „austrofaschistisch“, „katholisch“ und „verstaubt“. Diese Liste stellt selbstverständlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Allerdings behaupte ich, dass sich, wenn man die ÖVP über die letzten 10 Jahre hin betrachtet, ein recht klares Bild ergibt, dass eigentlich recht deutlich zeigt, welche Begriffe obsolet geworden sind (so sie historisch mitgeschleppt werden) oder nie gepasst haben.
Wer auf die Idee gekommen ist, der ÖVP das Wort „liberal“ nachzuschmeißen, lässt sich wohl nicht mehr herausfinden, aber es wäre schon interessant, die Person zu fragen, ob sie einfach falsch verstanden wurde, oder nicht genau genug unterscheiden kann. In der ÖVP gibt es relativ starke wirtschaftsliberale Kräfte, die sich vor allem aus zwei ideologischen Lagern speisen – den Neoliberalen (bzw. dass was man unter „Mehr Privat, weniger Staat“ subsumiert) und den Anhängern des äußerst bezeichnenden Slogans „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“. Diese unterscheiden sich in zentralen Fragen, den für letztere darf der Staat nicht nur in die Wirtschaft eingreifen, sondern soll es, zu dem bestimmten Zweck sie zu fördern, sogar. In anderen Fragen, wie dass der Staat die Wirtschaft nicht für das Wohl des Pöbels mit Steuern belasten soll, ist man sich aber einig. Das wars dann aber auch schon mit der Liberalität in der ÖVP, die Freiheit, die sie meinen, ist eine exklusive und beschränkte.

Vereinzelt fallen ÖVP-Politiker_innen mit der Festelltung, sie oder ihre Partei seien „christlich-sozial“ auf, da dies über die ÖVP allgemein eigentlich nur mehr sehr ironisch gesagt wird. Es ist ja auch empirisch nachweisbar, dass die ÖVP auf die Schwächsten herzlich wenig gibt, sondern ihnen höchstens vorwirft, sich ihre Armut ausgesucht zu haben, um der Allgemeinheit auf der Tasche zu liegen. Christlich allerdings, zumindest im Sinn von „stark mit der römisch-katholischen Kirche verwoben“, ist die ÖVP nach wie vor.

Ihr deshalb vorzuwerfen, sie sei austrofaschistisch, ist trotzdem zuweit hergeholt. Um moralisch verwerflich zu sein, reicht es schließlich auch, so zu tun als wäre der Austrofaschismus keine faschistische katholische Diktatur, sondern eine Art heroischer Widerstand gegen die größere faschistische Diktatur im Norden gewesen, und sich deshalb bis heute nicht von einem Politiker, dessen größte Leistungen es waren, das Parlament der 1. Republik auszuschalten, das Bundesheer im Inland gegen den Widerstand dagegen einzusetzten und politische Gegner in Lager zu schicken, zu distanzieren.

Die ÖVP ist katholisch, aber dass ist längst nicht mehr die zentrale Eigenschaft der Partei. Im Zweifelsfall wird sie immer der Wirtschaft (in oben beschriebenem Sinn) den Vorzug geben. Trotzdem sind „neoliberal“ bzw. „wirtschaftsfreundlich und -hörig“ nicht die zentralen Eigenschaft der ÖVP. Was die Partei durch und durch ausmacht, was sich in ihrer Politik und Ideologie in einer Deutlichkeit widerspiegelt, wie sie keine andere österreichische Partei (mehr) hat, ist, dass die ÖVP (erz)konservativ ist.

Konservatismus ist nichts an sich schlechtes, sondern eine legitime politische Ideologie, wie es die anderen beiden großen europäischen Ideologien, Sozialismus und Liberalismus, auch sind. Doch die Ausprägung und Stoßrichtung in der ÖVP ist eine ganz besondere. Konservativ bedeutet nicht unbedingt xenophob, die ÖVP aber interpretiert es so, dementsprechend fremdenfeindlich und rechtsaußen agiert sie. Konservativ bedeutet nicht ein darauf beharren, dass die „Oberen“ unter sich bleiben – für die ÖVP ein zentrales politisches Anliegen. Konservativ bedeutet eigentlich eher überhaupt nicht, Menschenrechte und Menschenwürde allerhöchstens eingeschränkt zu akzeptieren – die ÖVP hat kein Problem mit der entmenschlichenden Politik der FPÖ und dem wiederholten Infragestellten von Rechten bestimmter gesellschaftlicher Gruppen (insbesondere Frauen und schwach vertretende bzw. finanziell irrelevante Minderheiten).
Das ist der Zustand der ÖVP, in dem sie Wolfgang Schüssel an Josef Pröll übergeben hat1. Ob der etwas anderes daraus macht, machen kann, ist fraglich. Was seine Perspektivengruppe erarbeitet hat, ist so lieb und brav, wie es egal ist, und die Akzente die er setzt, sind doch eher marginal (im Wesentlichten ist er da, und sieht neben Werner Faymann gut aus, was keine besonders beeindruckende politische Leistung ist, und inhaltlich nichts aussagt).

Das soll, das möchte ich abschließend betonen, um nicht missverstanden zu werden, keine generelle Verdammung der Konservativen oder der ÖVP an sich sein. Sie gehören keineswegs zu den ablehnenswerten ekelhaften Ideologien vom Misthaufen der Menschheit, aus dem eine FPÖ gekrochen kam. Ich kenne sehr schlaue und schätzenswerte Konservative, wie etwa Christian Klepej und Michael Thurm aus der Blogosphäre, und aus persönlicher Erfahrung bzw. Zusammenarbeit noch einige mehr. Es gibt genug intelligente, humane Wege konservativ zu sein. Die ÖVP verfolgt sie nur einfach nicht (oder zuwenig).

Kategorie: Knapp kommentiert Stichworte: Bundesheer, Faschismus, FPÖ, Grüne, KPÖ, Liberalismus, ÖVP, Parlament, SPÖ, Werner Faymann

Wie hat Claudia Bandion-Ortner das nur geschafft?

12.08.2009 by Thomas Knapp 3 Kommentare

Claudia Bandion-Ortner erlangte ihren hohen Bekanntheitsgrad unter Justizministerin Maria Berger von der SPÖ. Da durfte sie dem Bawag-Prozess gegen Helmut Elsner und „die Anderen halt“ vorsitzen. Ich hab damals schon nicht wirklich viel von ihr gehalten, weil sie offen parteiisch gegen Helmut Elsner, der de facto verurteilt war als er angeklagt wurde, dafür aber umso medienwirksamer agierte.

Inzwischen ist Maria Berger wieder im EU-Parlament und als Richterin am Europäischen Gerichtshof designiert. Ihre Nachfolge trat Claudia Bandion-Ortner, nominiert von der ÖVP, an. Sie holte sich den Staatsanwalt der den leichtest Prozess in der jüngeren österreichischen Geschichte, der großteils entschieden war, bevor die Staatsanwaltschaft überhaupt Anklage erhob, ins Boot. Georg Krakow, dem Bandion-Ortner eigentlich bis Ende des Prozesses neutral und distanziert gegenüber stehen hätte sollen, wurde ihre Büroleiter.

Nun hat das neue Führungsteam erstaunliches geleistet. Die neue Koalition ist noch kein Jahr alt, Bandion-Ortner ist noch dazu verspätet ins Amt gekommen. Dennoch ist das Justizministerium, das unter Maria Berger gemeinhin als recht souverän und engagiert angesehen wurde, an dem es nie wirklich große Kritik gab, und das zB zumindest versuchte, in Fragen wie dem Lebenspartnerschaftsgesetz mit allen Betroffenen zu sprechen, zum Problemministerium verkommen. Die Ministerin gibt passend dazu ein Interview, in dem sie sich als unpolitisch und intellektuell nicht übertrieben befähigt outet.

Die Leidensgeschichte der Justitia begann als Bandion-Ortner die Sparpläne des Größten Finanzministers aller Zeiten, Josef Pröll (ÖVP), hinnahm. Claudia Schmied (SPÖ) mag sich vielleicht kurzfristig lächerlich gemacht haben, aber ihr Bildungsministerium hat jetzt die notwendigen Finanzmittel. Im Justizministerium dagegen wird beim Personal eingespart, dass jetzt schon an allen Ecken und Enden fehlt.

Aber jetzt geht noch deutlich mehr hoch. Dem Falter wurden Dokumente die ein erschreckendes aber eigentlich zu erwartendes Bild der österreichischen Justiz zeichnen. Ermittlungen gegen „große Tiere“ werden vom Justizministerium aus kontrolliert und gern stillgelegt. Nun ist diese Unsitte sicherlich nicht unter Bandion-Ortner, sondern in grauer Vorzeit eingerissen. Aber die Reaktion die man von einer (theoretisch) parteiunabhängigen Ministerin die selbst Richterin war erwarten würde, hat relativ wenig mit der von Bandion-Ortner zu tun. Missstände gibt es nicht, Decke drüber.

So auch konkret beim ersten der vom Falter problematisierten Fälle – der Einstellung des Verfahrens gegen den inzwischen zum Landeshaupt aufgestiegenden Knecht Jörg Haiders, Gerhard Dörfler (BZÖ). Der Falter hat ein veraltetes Dokument. Alles ist gut. Auch wenn der indirekt betroffene Verfassungsgerichtshof das anders sieht.

Der unter Maria Berger eingeführten Sonderstaatsanwaltschaft zur Korruptionsbekämpfung wurden durch eine heftig kritisierte Auflockerung des entsprechenden neuen Anti-Korruptions-Gesetzes gleich wieder die Hände gebunden. Lesben- und Schwulenvertreter werden von Bandion-Ortner von den Verhandlungen für ein neues Lebenspartnerschaftsgesetz ausgeschlossen.

Bandion-Ortner sollte wohl den Promi-Faktor in die Regierung bringen, und als bekannte Richterin zu einer beliebten ÖVP-Politikerin werden. Auf dem Weg dorthin kommt sie aus dem Stolpern nicht heraus, und es scheint so, als würde die Rechnung der ÖVP, wie bei der früheren Gesundheitsministerin Andrea Kdolsky, nicht aufgehen.

Kategorie: Knapp kommentiert Stichworte: Bildung, BZÖ, Claudia Bandion-Ortner, EU-Parlament, Homoehe, Jörg Haider, Korruption, ÖVP, Parlament, SPÖ

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