Im Folgenden ein E-Mail-Interview mit der Gruppe „ÖVP-Que(e)rdenker:
Abgesehen von Themen, die Homosexualität direkt betreffen, identifiziert ihr euch also mit der ÖVP? Wenn dem so ist, wieso glaubt ihr, dass gerade diese Standpunkte aus dem Gesamtkontext herausgelöst werden können, ohne das wofür die ÖVP steht, zu verändern? Oder strebt ihr eine Erneuerung/Reformierung der ÖVP in vielen Punkten an? Wenn dem so ist, in welchen, und wieso geht ihr nicht zu einer Partei, in der diese angestrebten Standpunkte bereits vertreten werden?
Queerdenker: Ja, wir identifizieren uns voll mit der ÖVP – Volkspartei; da wir uns als ein Teil dieses Volkes ansehen. Ja, wir identifizieren uns mit der ÖVP, da sie die einzige Patei in Österreich ist, die sich aus Bünden zusammensetzt; zB Bauernbund & Co.; somit verschiedene Interessen im Parlament vertritt. Wir streben an, einen eigenen Bund innerhalb dieses „Volkes“ zu gründen, der bei Bedarf auf unser Wissen und Erfahrungen zurückgreifen kann, falls es einmal dazu kommt, dass Gesetze, die die Homesexuellen betreffen, entstehen werden. Wir möchten mithelfen können unsere Gedanken und Erfahrungen in den Gesetzestexten einfließen zu lassen. Schließlich sind ja wir die Betroffenen, die diese Gesetze mal befolgen müssen. Schwule und Lesben sollten an diesen neuen Gesetzen entscheidend mitwirken, so daß die Betroffenen, also wir selbst, auch das Gefühl haben können, daß alles auch wirklich zu unseren Interessen geschieht. Wie soll den ein Wolf die Interessen eines Huhns vertreten können? Der Wolf kann nur vermuten, was das Huhn wirklich braucht, um ein glückliches Leben zu führen. Dies nur, um zu veranschaulichen.
Zum Thema „verändern“ sagen wir:
Viele haben schon in der Geschichte versucht zu verändern. Also werden wir uns hüten mit allen Mitteln „verändern“ zu wollen. Wir werden da sein, wenn unser Wissen von den Gesetzemachern benötigt wird. Darum die Gründung eines Bundes innerhalb des „Volkes“. Seht es einfach so: Wir werden die Datenbank sein, wenn sie benötigt werden.
Zum Punkt, warum wir nicht eine Partei gehen, die bereits unsere Meinung vertritt kann ich nur sagen, dass wir uns selbst vertreten werden, wenn wir eine Veranlassung dazu haben. Ein Bund, ein Teil des „Volkes“ zu sein scheint uns klüger, als für irgendwem oder irgendwas eine potenzielle Wählerstimme oder Konsumenten zu sein. Wir sind Menschen und wir bleiben Menschen – denn auch Homosexuelle sind Menschen – und diese Überlegung wird immer unser Motto bleiben. Seht es einfach so, dass wir nicht mehr der Spielball für die Bewohner eines Mehrparteienhauses sein wollen. Wir streben vielmehr an, uns ein eigenes Zimmer in diesem Hause einzurichten, wenn man uns lässt. Die Volkspartei sehen wir als so ein Haus an, da sie, wenn man einfach auf den Namen blickt, die einzige Fraktion zu sein scheint, da sie ja aus Bünden besteht, die uns den Raum beziehen lassen wird, den wir wirklich brauchen.
Gegenfrage:
Wollen sie der Ball in einem Spiel sein, oder doch lieber ein Teil des Spielfelds sein um die Spielregeln mitzubestimmen?
Wie weit sollte das Lebenspartnerschaftgesetz eurer Meinung nach gehen (zB hinsichtlich rechtliche Gleichstellung mit einer Ehe, Adoption von Kindern)?
Queerdenker: Dazu kann ich dir nur sagen, dass jeder Mensch die gleichen Grundvoraussetzungen zur Verfügung gestellt bekommen sollte. Somit das Recht hat, wenn er es eben wünscht, auch zu heiraten oder Kinder zu adoptieren, usw. Wir leben ja in einer Demokratie, in der alles Recht vom Volke ausgeht, daher sind wir auch zuversichtlich, dass sich die Homosexuellen mit uns bestens vertreten sein werden, da wir selbst Homosexuell sind und ihnen einen Raum innerhalb des „Volkes“ einrichten wollen. Denn so wie jeder andere Mensch wollen auch wir kein Spielball sein; da geht’s nur rund; und wenns rund geht übersieht man gern das Wesentliche und kann nicht mehr klar denken, weil sich ja alles dreht.
Habt ihr konkrete Ziele bzw. sind Aktionen geplant?
Queerdenker: Unsere Ziele habe ich – siehe deine Fragen 1 und 2 – bereits ausführlich erklärt. Aktionen sind noch keine konkretisiert worden, da wir uns erst in der Gründungsphase befinden. Wenn ein Raum eingerichtet werden soll, der ein dauerhaftes Heim im „Volk“ sein soll, sind viele Überlegungen und Vorarbeit notwendig. Wenn es denn soweit ist Aktionen zu planen, werden sie informiert werden.
4) War die Gründung einer „ÖvPQueer“-Gruppe mit höheren Parteiinstanzen abgesprochen?
Queerdenker: Zu dieser Frage können wir nur sagen: Unsere Gründung kam aus dem „Volk“ und wird für das „Volk“ sein – speziell natürlich für Homosexuelle, da wir ja auch unsere eigenen Interessen vertreten haben wollen; aber wir sind auch Menschen und werden somit jeden in unserem Raum begrüßen, der zu uns kommen will. Wir wollen keinen ausgrenzen oder denunzieren oder als Spielball verwenden. Es liegt uns vielmehr daran, dass viele, sowohl Homosexuelle, als auch Heterosexuelle, an der Gestaltung unseres Raumes im Haus unseres „Volkes“ mitwirken, da wir ja schließlich alle in diesem Haus leben und leben werden. Uns schwebt dabei kein karger Raum, sondern vielmehr ein buntes Zimmer vor, indem jeder seinen Platz finden kann, wenn er es wünscht.