Aus Interesse habe ich mich immer stärker an die SPÖ und somit die Parteienlandschaft im Allgemeinen angenähert. Mehr als um die Chance „etwas zu werden“, ging es mir darum zu sehen, wie die Dinge wirklich ablaufen. Denn dass eine Politikberichterstattung die dummen Menschen ausgeklügelte Strategien unterstellt, die kaum berücksichtigt was für ein psychologisches Profil man haben muss, um die Ochsentour einer Parteikarriere durchzustehen, die dafür aber per Du mit den Politiker_innen gerne etwas trinken geht, nicht so ganz die Wirklichkeit abbilden dürfte, war mir relativ bald klar. Ich ging aber auch davon aus, dass die Vorurteile die man so allgemein über die Politik hört, und die zu bedienen einen Jörg Haider groß gemacht hat, nicht in der Form zutreffen. Das war ein Irrtum.
Ich dachte, ich wäre nicht naiv, wenn ich davon ausgehe, dass es in jeder Partei korrupte Arschlöcher, verlogene Arschkriecher_innen und prinzipienlose Karrierist_innen gibt. Aber ich war naiv anzunehmen, dass das nicht im wesentlichen die Beschreibung des Systems ist. Das war falsch. Wahr ist vielmehr, dass das unmoralischste Szenario dass man sich in einem Rahmen der noch möglich ist (also ohne das öffentliche Institutionen stillstehen, weil alle dort für ihre Partei arbeiten), mit größter Wahrscheinlichkeit das zutreffende ist.
Das gilt für Gemeinde-, Landes- und Bundesebene. Öffentliche Infrastruktur ist prinzipiell zuerst für die Partei, dann für einen selbst und letztlich in Hinblick auf Wahlen, noch für irgendwelche (Schein)Aktivitäten da. Das Beziehungen alles und Qualität und Kompetenz nichts bedeuten, wird genausowenig hinterfragt, wie wenn die Gemeinde-, Landes- und Bundesbediensteten für Parteiarbeit angestellt werden. Kein Regierungsbüro in dem nicht Leute für die Partei arbeiten, die das Büro kontrolliert. Darüber herrscht breiter, parteiübergreifender Konsens weshalb auch noch keine Partei die anderen dafür offen kritisiert. Es haben inzwischen ja auch alle Parteien auf der einen oder anderen Ebene Zugang zu den Erweiterungsangeboten für die Parteizentrale.
Deshalb gibt es soetwas wie „in der Opposition erholen“ in Österreich nicht, den obwohl die Parteienförderung gigantisch ist und die Regelung für Parteispenden um Korruption bettelt, wären insbesondere ÖVP und SPÖ von einer zentralen Möglichkeit ihre Leute für die Arbeit die sie für die Partei leisten, zu bezahlen, abgeschnitten. Keine staatliche Infrastruktur für die Partei nutzen zu können, ist ein wesentlicher Wettbewerbsnachteil.
Was sind das für Menschen, die in diesem Umfeld Karriere machen? Die politische Jugend, die Menschen die in der Partei gefördert werden, sind idR jene, die es geschafft haben, seit Jahren sämtlichen Wendungen, Lügen, Prinzipienverletzungen, etc. mitzumachen und in bekannt blöder Manier zu verkaufen, ohne davon aufgefressen zu werden (oder aber vollständig davon aufgefressen wurden und jetzt innerlich tot sind).
Diese Menschen sprechen wie Presseaussendungen und haben den Kontakt zu „normalen Menschen“ verloren, als es darum ging, nicht für das ständige Verbiegen kritisiert werden zu wollen, nicht ständig auf die Schwächen der eigenen Partei angesprochen werden zu wollen (weil es nachvollziehbarerweise weh tut, weil ja wirklich viel Zeit, Arbeit, ja Herzblut investiert wird) und man sich deshalb unter Leuten bewegt, die einen verstehen, die so sind wie man selbst ist. Andere Parteisoldat_innen, die sich in der Folge gegenseitig bestätigen, wie gut sie sind. Und es gibt Leute, die deshalb eine Parteikarriere forcieren, weil sie sonst nirgends etwas geworden wären (erinnert mich an den interessanten „Datum“-Artikel über Guido Westerwelle).
Es gibt klassische Eigenschaften, ohne die man eine Parteikarriere nicht schafft. Manche davon treffen nicht in allen Fällen zu, es gibt sicher Ausnahmen, aber im wesentlichen gehören sie zum System. Wer in „der Partei“ (welche auch immer) Karriere machen will, muss unterwürfig, demütig und gehorsam gegenüber allen Mächtigeren sein, zumindest bis zu dem Moment, wenn sich Verrat lohnt. Dafür braucht man selbstverständlich ein Talent zum Schauspielen bzw. Tausend Gesichter. Und eine gewisse Skrupellosigkeit gehört auch dazu, Leute abzusägen die einen aufgebaut haben, mit denen man immer Spaß hatte, etc. Dafür lohnt es sich, immer zu wissen wer was wann über wen gesagt hat (oder über was).
Und wenn man schon selbst nicht (total) korrupt ist, so muss man zumindest die Korruption der anderen und der Partei stillschweigend akzeptieren, wobei man vermutlich irgendwann als „komisch“ auffällt, wenn man nicht mitmacht. Deshalb ist letztlich Prinzipienlosigkeit eine hervorragende Eigenschaft wenn man eine Parteikarriere anstrebt. Nur wer keine Inhalte hat, kann jede Scheiße verkaufen. An kaum jemand, ohne ihn näher zu kennen, werden manche dieser Aussagen so deutlich wie an Josef Cap, der wahrscheinlich jede politisch mögliche Position und ihr exaktes Gegenteil schon mindestens zweimal vertreten hat (und wieder kann ich auf einen Artikel in den „Seiten der Zeit“ verweisen).
Teile dieses Textes habe ich geschrieben, als ich zum ersten mal verstanden und richtig gesehen haben, wie das politische System von innen aussieht. Für mich war es extrem desillusionierend festzustellen, dass es keine(!) politische Partei gibt, die nicht von hinten bis vorne verlogen, falsch, fern ihrer angeblichen Grundsätze und durch und durch korrupt ist. Wirklich. Politik tötet von innen. Was hier durchklingt, ist die ehrliche Frustration darüber, dass jedes Klischee, jedes Vorurteil, jedes Worst Case Sezenario zutrifft.
Gute Analyse, die sich mit vielen Beobachtungen deckt, die ich in den letzten Monaten machen konnte. Für den Satz "dass es keine(!) politische Partei gibt, die nicht von hinten bis vorne verlogen, falsch, fern ihrer angeblichen Grundsätze und durch und durch korrupt ist" fehlen allerdings die Belege. Zumindest den Wiener Grünen kann man – so weit ich das als neuer Kandidat und langjähriger Beobachter beurteilen kann – ja so manches vorwerfen, aber "durch und durch korrupt" sicher nicht. Genau deswegen gelten wir ja als "nicht regierungsfähig".
Mich würde interessieren, ob und wenn ja welche (persönlichen) Konsequenzen du aus deinen Einsichten jetzt ziehst?
Du bist ja noch/wieder SPÖ-Mitglied soviel ich weiß oder? Durch die Beteiligung an Wahlkampfaktivitäten udgl. unterstützt du diese durch und durch korrupten Organisationen ja auch.
Auch wenn ich dem VSStÖ nicht unterstelle(n will) genau so korrupt zu sein wie die Mutterpartei, so ist er – neben der Aufgabe als Studierendenvertretung die ich auch gar nicht kleinreden will- auch nur SPÖ-Vorfeldorganisation, Politikindergarten und Kaderschmiede oder nicht?
Das ist nur dann ein Problem, wenn er von den Positionen, die er diese Woche vertritt, nicht wirklich überzeugt ist.
Wir ändern unsere Meinung häufiger, als uns das selbst bewusst ist und wir das wahrhaben wollen. Der Cap und eine Partei stehen halt unter Beobachtung. Da wird jedes Wendemanöver registriert und aufgezeigt.
Es tut mir leid, dass Du so enttäuscht wurdest. Aber Politik ist ein dreckiges Geschäft – Lügen, Intrigen, Diebstahl und sogar Mord gehören schon seit der ersten Zivilisation zu den gewöhnlichen Tätigkeiten der Regierenden… 😉
Ohne Zweifeln, aber dennoch gibt es viele Demokratien in denen eine Korruption unseres Ausmaßes nicht möglich wäre. Wo sich Parteien um formelle Informationskanäle bemühen, anstatt sich der macht der informellen Kommunikation auszuliefern. Das Lügen und das Spinnen von Intrigen dazugehören, wie sinnlose Formalakte und ähnlich lähmendes, ist mir schon bewusst – aber dass ist auch nicht der Kern den ich anschreibe.
Das passt schon so. Als uns die Demokratie um 20% gekürzt wurde waren die werten Grünen genauso live dabei wie bei der x-ten Erhöhung der Parteienförderung.
Willkommen im Establishment! Mich haben sie bitte gern.
Also eine Verlängerung der Legislaturperiode als eine "Kürzung der Demokratie um 20 %" zu bezeichnen, ist schon sehr hart, das Problem damals war eher die (fast heimliche) Durchführung. Auch die Höhe der Parteienförderung seh ich nicht so problematisch, was fehlt sind strikte Regeln wo eine Partei welche Beträge herhaben darf und wie sie diese der Öffentlichkeit offenzulegen hat.
ein kaffee wär bald wieder spannend.
(hab jetzt hier nach fünf absätzen wieder gelöscht … das würde ausufern ; ) vielleicht so viel vorweg: das was du schreibst ist richtig. wie es gleichzeitig natürlich auch falsch ist. aber auch richtig. hmm. das führt zu nix. also … )
ein kaffee wär bald wieder spannend.
lgc
Dann sag ich mal Kaffee. 🙂
Aus diesem Grund sollte man daran Arbeiten politische Systeme abzuschaffen. Man könnte auch gut ohne sie und alle uns bekannten Regierungslandschaften sind absolut veraltert. Allerdings denke ich dass Großkonzerne und die Medienlandschaft sehr ähnlich aufgebaut sind.
Wir haben ein schlechtes politisches System. Ergo führen wir die Zivilisation in den Untergang. Klingt unlogisch. Logischer wäre für mich, am politischen System anzusetzen.
Ich trenne zwischen der Partei und einzelnen Personen die sich trotzdem halten. kann mi nicht vorstellen, dass eine Partei ohne geheime Unterstützung aus der Industrie oä sonst wie konkurrenzfähig sein soll…
Ja, alles was mich mit politischen Organisationen verbindet, ist im "About" offengelegt. Da ich aus dem System nicht rauskomme, und es durchaus bereiche gibt in denen man sinnvolles machen kann, werde ich versuchen dorthin zu gehen und den Rest zu ignorieren. Aber eine Karriere in der SPÖ strebe ich nicht an.
Es würd ja nicht so auffallen, wenn alle denk Schwenk machen, aber die Parteispitze macht ihn, und zurück, und hin und her und die Leute die Werte haben, können das von ihrem Standpunkt aus sehr gut beobachten. Es geht bei den Konkretenen Positionen nicht um eine Auseinandersetzung in der Sache, sondern um die Flügel in der Partei (wer ist wie stark?) und die politische Situation (Regierung/Opposition – Koalition mit wem?).
Dann sag ich mal Kaffee. 🙂
also wenn die grünen "geheime unterstützung aus der industrie" hätten würd mich das schon SEHR wundern…und wenn du solche gravierenden behauptungen aufstellst dann solltest du sie belegen! und falls du das nicht kannst, sie hier ganz offiziell zurücknehmen.
Das steht nicht da. Ich wundere mich nur.
Jetzt erst gelesen. Grosser Text. Zutreffend.
Danke.